Magie vom Dach der Welt. Der tibetische Kulturraum im Spiegel seiner Kunst.

Wer die Worte „Tibet“ und „Himalaya“ hört, hat sofort Bilder im Kopf von einer bekannt-unbekannten Welt und vielleicht verspürt der ein oder andere ein wenig Fernweh... Die neue Sonderausstellung im Schloß Wernigerode „Magie vom Dach der Welt. Der tibetische Kulturraum im Spiegel seiner Kunst.“ führt den Besucher in diesen Kulturkreis ein und wird sicher für den ein oder anderen Aha-Moment sorgen.

Diese Ausstellung ist erneut ein Gemeinschaftsprojekt der Schloß Wernigerode GmbH und den Museen und Kunstsammlungen der Stadt Augsburg.

Unterstützt wird die Ausstellung von der Tibet-Initiative Deutschland.

Amulettbehälter, inliegend Kultfigur. Foto: Janos Stecovics

In der Ausstellung wird erklärt, dass der „tibetische Kulturkreis“ weit über das gemeinhin angenommene Gebiet des autonomen Gebietes Tibet in China hinausreicht und Regionen in Indien, Nepal, Bhutan und einige andere mehr umfasst. Dieser geografisch riesige Raum spiegelt sich in den Ausstellungsstücken und auch der Zeitraum der gezeigten Kunstwerke ist groß: Sie entstanden vom 1. Jahrtausend vor Chr. über das Mittelalter bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts.
Über die kleinen und größeren Kostbarkeiten wird ein Kulturraum näher gebracht, der stark vom Buddhismus geprägt ist, aber auch viele Spielarten der Magie oder spirituell aufgeladene Gegenstände kennt. Gezeigt werden auf der einzigartigen Schau, die in bewährter Weise mit den Museen und Kunstsammlungen der Stadt Augsburg erarbeitet wurde, u. a. „Thog-lcags“ - die magischen Gaben der Götter, Teile von Reitgarnituren, traditioneller Schmuck, Kultfiguren, Zeremonialschals und andere faszinierende Schaustücke.

Zum Kurator
Hans Weihreter, dem seit nunmehr vier Jahrzehnten in den Ländern des Himalaya und in Indien reisenden Feldforscher, Händler und Schmuckexperten ist dieser tiefe Einblick in die materielle Kultur Tibets zu danken. Hans Weihreter ist nicht nur immer wieder dorthin gereist; er hat mit tibetischen Nomaden gelebt, ihre Wanderungen begleitet, ihre Sprache gelernt und die Mythen und Mysterien über die Bedeutung von Objekten aus erster Hand erfahren. So ist Hans Weihreter wie kein anderer in der Lage, in diese immaterielle Dimension der vorgestellten Artefakte einzuführen. Über deren handwerkliche Perfektion und Schönheit hinaus öffnen Weihreters Beschreibungen und Texte die Augen für die faszinierende Ikonographie und Bedeutung dieser magischen Objekte vom Dach der Welt.

Publikation
Magie vom Dach der Welt. Der tibetische Kulturraum im Spiegel seiner Kunst.

Autor/en: Hans Weihreter
Verlag: Verlag Janos Stekovics / Erschienen: Wettin-Löbejün 2018
Seiten: 256 / Buchart: Hardcover / ISBN: 978-3-89934-389-6
Preis: € 24,80
Der Ausstellungsband kann im Schloß/Museumsladen erworben werden.

Sonstiges
Mehr Informationen zu den Museen und Kunstsammlungen der Stadt Augsburg: www.http://kunstsammlungen-museen.augsburg.de/
Mehr Informationen zur Tibet-Initiative Deutschland: www.tibet-initiative.de

Rezension von Johannes Litzel - Ethnologie, Anthropologie, Archäologie / I.N.K.A (Interdisziplinäre Natur- und Kulturwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft), Augsburg

Im Norden des schönen Indiens und im Westen von China liegt auf dem hohen Rücken Asiens ein großes wunderbares Land, dessen himmelanstrebende Gebirge die Quellen großer, weltberühmten Ströme, des Indus,Ganges, Burumputer, Iravaddi, Menam , Menangkong, des Jang-tse-kiang u.a. in sich schließen und ihre goldreichen Eingeweide durch den Goldsand in den Flüßen verrathen; ein Land, das südlicher als Italien und Griechenland, südlicher als Egypten, gleichwohl den ewigen Schnee auf seinen Bergen, und zum Theil, selbst in seinen Thälern liegen sieht; und das, dicht neben den rauhen
Gegenden, blühende Gefilde auf zuweisen hat; – ein Land, das die Geschichtsforscher als den ersten Ausflug des frühesten Urvolks aus dem Garten feiner ersten Bildung angesehen haben. Und dieses Land gehört nicht irdischen Königen an, sondern einem lebendigen unsterblichen Gotte, vor dem sich Könige in den Staub werfen und seinen Segen, als ein unmittelbares Geschenk des höchsten Wesens, verehrens. Denn das sichtbare Oberhaupt der, nächst dem Islam am weitesten verbreiteten Religion des Buddha – ja, der immer wieder von neuem lebendig werdende Stifter dieser Religion, hat seinen Sitz in Tibet, und von den rauhen Steppen Sibiriens, wie aus dem paradisischen Indien, wallfahrten die Gläubigen hieher, um den Segen des lebendigen Buddha oder Fo, – denn beyde Namen bedeuten Einen Gott – zu empfangen. Sollte dies nicht schon unsere Neugierde reizen ?¹


Was zunächst bei Theophil Friedrich Ehrmann nach einer rhetorischen Frage klingt, erhält im Laufe des 19.Jh. ganz reale Wirkungsmacht. Alexander von Humboldt plant eine (leider dann nicht durchgeführte) Reise nach Tibet und Tibetische Studien werden an einigen europäischen Universitäten als Fach etabliert. Der koloniale Blick des British Empire richtet sich auf diese verschlossene Region und Schriftsteller unterschiedlichster Genres zaubern Bilder dieses fernen Landes in die Köpfe des Publikums. Dort soll sich das irdische Paradies finden, das ewige Leben möglich sein, ein Urvolk existieren oder der geheimnisvolle Schneemensch oder Yeti sein Unwesen treiben. Im 20. Jh. rücken die Gesandten der Rasseideologen des Ahnenerbes den Tibetern auf die Pelle, später die Extrembergsteiger an die Achttausender und reichlich Erleuchtungssucher in die Täler des
Hochlandes. Seit den späten 50-Jahren wird der vertriebene (oder geflüchtete, je nach politischer Einstellung) Dalai Lama zu einer Kultfigur der westlichen Welt. Tibet hat immer noch Konjunktur; ein unendlicher Wust von „Informationen“ ist zwar ubiquitär verfügbar; vieles davon ist aber keinen Pfifferling wert. Es geht zum Glück aber auch anders.
Magie - das magische oder „wilde“ Denken, so wie es Claude Lévi-Straus² oder Edward E. Evans-Pritchard³ für die Ethnologie bzw. Kulturanthropologie beschrieben haben, ist Bestandteil jeder Religion. Aber auch im „aufgeklärten“ Europa bemerkte schon Friedrich Schiller in seiner Ballade „Die Glocke“: Doch mit des Geschickes Mächten ist kein ewger Bund zu flechten, und das Unglück schreitet schnell. Der Versuch, mit den Schicksalsmächten umzugehen, sie zu besänftigen, Glück zu erwerben, Gefahren abzuwenden, Krankheit zu vermeiden bzw. zu heilen, die Fährnisse des Lebens positiv zu
beeinflussen, die Numinosen zu manipulieren, zu besänftigen, gnädig zu stimmen oder zu vertreiben, ist fast so alt wie die Menschheit. Dazu braucht es magische Mittel, Gegenstände, Gebete,  Beschwörungsformeln, Opfer und auch den einen oder anderen religiösen Spezialisten (Priester, Schamane etc.), der Weihehandlungen, Abwehrzauber oder einfach nur Kontakt zur Anderswelt herstellen kann um an Informationen zu gelangen. Dazu treten Rituale und Symbole; ständige Wiederholungen oder das Mitführen von Gegenständen sind nötig um dauerhafte Wirkung zu erzielen. Rationalität und Kausalität ist nicht vonnöten; die Weltvorstellung im magischen Denken ist ganz
anders gepolt.
Unter dem Titel „Magie vom Dach der Welt. Der Tibetische Kulturraum im Spiegel seiner Kunst“ haben das Schloss Wernigerode und die Kunstsammlungen und Museen Augsburg ein neues  Ausstellungsprojekt in Leben gerufen. Vom 20. April bis zum 4. November 2018 in Wernigerode, vom 24. Juli bis 10. November 2019 in Augsburg werden eine Vielzahl von Kunstgegenständen präsentiert. Der gleichnamige Katalog, herausgegeben von Christian Juranek und Christoph Trepesch, ist beim Verlag Janos Stekovics erschienen. Als Autor und Kurator konnte – wie bei der Ausstellung „Schmuck
der Maharajas. Aus den Schatzkammern indischer Fürsten“ (2013 in Augsburg, 2016 in Wenigerode) wieder Hans Weihreter verpflichtet werden. Seine ausgedehnten Reisen, profunde Sprachkenntnisse und intensive Regionalstudien bilden, neben einer langen Publikationstätigkeit beste Grundlagen für diese Ausstellung.
Schon die Gestaltung des gewichtigen Katalogs fällt in Zeiten von Einfachdrucken auf: Stabiles Hardcover, Format fast A4, bestes Papier und exzellenter Druck machen Lust auf die Lektüre. Eigentlich nicht wichtig, aber trotzdem als Ausdruck der Liebe zum Büchermachen erwähnenswert: zwei unterschiedlich farbige Einmerkbändchen; ein sympathisches Retro-Detail. Die zum Teil ganz- und mehrseitigen Fotos sind von großer Qualität und zeigen auch kleinste Details. Dieser Arbeitsaufwand – heute nicht mehr selbstverständlich – hat sich gelohnt; der Betrachter kann sich nur freuen. 100 Katalognummern führen, unterteilt in neun Kapitel, durch die Artefaktwelt des tibetischen Kulturraumes, beginnend im ersten vorchristlichen Jahrtausend bis zur Gegenwart. Vorangestellt, neben dem Vorworten der Herausgeber und des Autors, ist ein (sehr) kurzer Abriss über den bearbeiteten Kulturraum; dann folgt ein kurzer Abschnitt über die oft wiederkehrenden Symbole auf Schmuck, Gefäßen und sonstigen Gegenständen. Dies ist ebenso hilfreich wie das recht ausführliche Glossar im Anhang; nicht jeder Leser/ Besucher ist per se vertraut mit der tibetischen Welt. Die Literaturliste ist vollkommen ausreichend.
Die Auswahl der Exponate, einerseits durch Sortierung der privaten Sammlungen limitiert, anderseits durch den Kurator subjektiv bestimmt, ist doch mehr als gelungen und teilweise eine echte Augenweide. Den Kapiteln sind erläuternde Texte zur Gegenstandsgruppe vorangestellt; jede Katalognummer ist dann einzeln beschrieben, neben den üblichen Sachangaben, Datierungen, Deutungen finden sich die notwendigen Literaturhinweise bzw. Hinweise auf Vergleichsstücke.
Es beginnt mit den Thoc-lcags, diesen seltsamen „Steine des Himmelsfeuers“, Metallobjekte, denen apotropäische Wirkung zugeschrieben wird. Einige davon aus Zentralasien und der skythischen Kultur des 1. vorchristlichen Jahrtausends zuzuweisen, z.B. das Rolltier (Kat.Nr. 3). Herausragend ist die Hirschstatuette (Kat.Nr. 1), die den ausführlichen Beschreibungstext allemal verdient hat. Weiter geht es mit geschmückten Gebrauchsgegenständen und Schmuck. Der Bogen reicht von einer besonders
beeindruckenden Reitgarnitur (Kat.Nr. 15), Schmuck bis hin zu Reisebesteck und Trinkschalen in Schutzbehältern. Dann folgt ein Kapitel über Amulett- bzw. Reliquienbehältnissen (Ga'u). Vielfältigste Einflüsse aus allen Regionen West-, Mittel- und Zentralasiens sowie Indien und Chinas sind hier nachweisbar und sehr gut aufgeschlüsselt. Spannend sind die Kalendersymboliken auf manchen Stücken (u.a. Kat.Nr. 54).
Diverse Schmucktypen bilden den Abschluss des Kapitels oder eigentlich den vergleichenden Übergang zum Schmuck aus Bhutan bzw. zu hinduistisch geprägten Typen aus dem Westhimalaja. Den Kultfiguren ist der nächste Abschnitt gewidmet. Buddhas, Bodhisattvas und andere Himmelswesen eröffnen einen guten Einblick in die Glaubenswelten der Region, zeugen aber auch von hervorragendem Handwerk und meisterhafter Beherrschung der Metallurgie und Gusstechnik (spez. Kat.Nr. 84). Die sinotibetischen Zeremonialschals aus Seide werden in einem nur kurzen Abschnitt
behandelt, dann führt der Reigen abschließend zu Münzen und Banknoten und damit ins 20. Jahrhundert. Seit 1959 werden keine tibetischen Silbermünzen mehr geprägt, finden aber immer noch Verwendung im Handel der Region. Oft wurden sie als Hacksilber verwendet, wie die arabischen Silbermünzen im Europa des Mittelalters.
Was fehlt dem vorgelegten Katalog? Ganz eindeutig eine Übersichtskarte der Region. Nicht jeder Leser weiß auf Anhieb wo die Provinz Kham liegt, sich der heilige Berg Kailash befindet oder wie weit sich Bhutan oder Nepal erstrecken. Die beigefügte historische Karte auf Seite 255 reicht dann dafür doch nicht aus. Die politische Situation auf dem Dach der Welt wird nur an wenigen Stellen thematisiert. Das ist kein Manko; eine detaillierte Darstellung hätte den Rahmen gesprengt und es ist auch nicht Aufgabe eines Ausstellungskatalogs. Dies bleibt anderen Formaten vorbehalten.
Ein in jeder Hinsicht gelungenes und schönes Werk, eine Freude für die Leser. Die Magie nimmt einen schnell gefangen und mit auf das Dach der Welt. Was will man/ frau mehr? Den ambitionierten Ausstellungen in Schloss Wernigerode und den Kunstsammlungen und Museen Augsburg ist größte Aufmerksamkeit zu wünschen.

Anmerkungen:
¹ Ehrmann, Theophil Friedrich; Lindner, Friedrich Ludwig (Hg.): Neueste Kunde von Asien; Bd. 3 Südund
Ostasien. Prag 1812 (Neueste Länder- und Völkerkunde. Ein geografisches Lesebuch, 12).
² Claude Lévi-Strauss: La pensée sauvage. 1962. (deutsche Ausgabe: Das wilde Denken.
Übersetzung von Hans Naumann. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968)
³ Edward Evens Evans-Pritchard: Witchcraft, Magic, and Oracles Among the Azande. Clarendon
Press, Oxford 1937.


Buch- und Ausstellungsbesprechung durch  Dr. Michael Buddeberg/Preetorius Stiftung:
Mit König Songtsen Gampo, einem Sproß der damals schon seit vielen Generationen herrschenden Yarlung-Dynastie, betrat Tibet im 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung erstmals die Bühne der Geschichte. Dass Songtsen Gampo, neben weiteren Frauen auch eine nepalische und eine chinesische Prinzessin heiraten konnte, darf als militärisches und machtpolitisches Meisterstück gewertet werden. Beide Königinnen waren Buddhistinnen und brachten dessen Ideen erstmals auf das Dach der Welt. Nur wenig ist über diese erste Begegnung der Tibeter mit den Lehren Buddhas bekannt und man darf wohl annehmen, dass sich diese modernen Gedanken auf den Umkreis des Hofes beschränkten und die breite Bevölkerung nicht erreichten.
Das änderte sich erst als König Trisong Detsen gegen Ende des 8. Jahrhunderts den berühmten Magier Padmasambhava aus Kaschmir nach Tibet einlud, um dort die Unheil stiftenden Dämonen zu bannen. Padmasambhava gelang es, die bösartigen Dämonen zu Beschützern des neuen Glaubens umzupolen und er wurde damit zum Begründer des tibetischen Buddhismus, wie wir ihn bis heute kennen. Symbole und Rituale der vormaligen Dämonenbeschwörung, Gebetsfahnen, Rauchopfer, Gebetsmühlen, mystische Tänze und vieles andere mehr wurden so zum Bestandteil des Buddhismus tibetischer Prägung. Ohne die Magie des bis heute hochverehrten Zauberers Padmasambhava, der vorbuddhistische Vorstellungen und Rituale in buddhistisches Handeln zur Erlösung vom irdischen Leid verwandelte, wäre die zweite und eigentliche buddhistische Bekehrung Tibets, die bis heute Bestand hat, nicht denkbar.
„Magie vom Dach der Welt“ ist der Name einer Ausstellung und des dazu erschienenen Katalogbuches, die diese Welt besänftigter Dämonen zum Gegenstand haben. Im Mittelpunkt von Ausstellung und Buch steht neben einem guten Dutzend früher, kleinformatiger Kultfiguren nicht Kunst im Sinne westlicher Vorstellungen – also Malerei und Skulptur, insoweit könnte der Untertitel in die Irre führen – sondern Gebrauchsgegenstände der Tibeter, Schmuck vor allem, die durch ihre Gestaltung, durch den symbolhaften Dekor und die ihnen dadurch zukommende Bedeutung über ihren Gebrauchszweck hinaus magische Funktion besitzen. Da wären etwa die Thog-lcags oder Thoktschaks, rätselhafte, kleine Metallgegenstände, die nach Auffassung der Tibeter von den Göttern stammen und vom Himmel gefallen sind. Und in der Tat sind Herkunft und Alter dieser geheimnisvollen und oft ästhetisch ungemein attraktiven Objekte bis heute nicht enträtselt.
Für Tibeter sind die Thoktschaks, die alles Dämonische verjagen und vor Krankheiten und den vielfältigen Gefahren des täglichen Lebens zuverlässig schützen, nicht mehr zu übertreffende Glücksbringer. Eine Reitgarnitur, bestehend aus Sattel, Zaumzeug und Steigbügeln, wohl dem 15. Jahrhundert und einer Person von hohem Rang zuzuordnen, ist nicht nur ein museales Meisterwerk tibetischer Handwerkskunst, sondern in der Symbolik der in kompliziertem, vergoldeten Eisenschnitt oder als bemaltes Leder dargestellten Drachen, Phönixe, Pfauen und Gazellen ein Beispiel dafür, wie profanes Gebrauchsgerät zum Träger magischer Bedeutungen wird. Ähnliches gilt für die am Gürtel zu tragenden Haken für den Melkeimer oder für die Geldbörsen und die mit einem massiven Eisenbügel versehenen sogenannten Feuerschlägertäschchen, die Platz für Zunder und Feuerstein enthalten, mit denen der Tibeter im Nu ein Feuer entfacht. Fische, Insekten, Drachen, Löwen, Fledermäuse und Makaras, getrieben oder gegossen, aus Silber und Messing verzieren diese Lederobjekte und machen es schwer, zu entscheiden, ob es sich um hier um Gebrauchsgegenstände, um Schmuck oder letztlich doch um Objekte mit magischer Bedeutung handelt.
Alles zugleich wird hier die richtige Antwort sein, ebenso wie auch bei den sogenannten Gaus, den Amulettbehältern, die in den bekannten, aber auch in ausgefallenen Formen, in Gold, Silber und in weniger edlen Metallen, verziert mit Türkisen und Korallen, einen wesentlichen Teil der vorgestellten Objekte ausmachen. Trinkschalen aus Jade und Silber, aufwändiger Kopfschmuck, Gewandfibeln aus Bhutan und Armreifen mit Löwenköpfen vervollständigen den Reigen, bevor ein gutes Dutzend kleinformatiger und früher Bronzen aus Indien, Kaschmir und Tibet doch noch etwas „Kunst“ vermitteln, obwohl gerade diese Kultfiguren in ihren Gesten, Attributen oder grimmigen Erscheinungsformen mit Magie nur so geladen sind.
Mit diesen in der verlorenen Form bzw. im sogenannten Wachsausschmelzverfahren hergestellten Unikaten, mit frühen Zeremonialschals aus Seide und mit den kaum bekannten Münzen und Banknoten der Tibeter endet dieser Blick in diese von Magie geprägte tibetische Alltagskultur.