Um Kopf und Kragen
Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik Mannheim: Einknöpfbarer Hemdkragen
Zelluloid, 5,3 x 39 cm (Größe 38), um 1900, innen aufgedruckt „FLORIDA“ und Schildkröt-Firmensignet; ehem. Sammlung Ralf Schmitt, Trier
© Schloß Wernigerode, Inv.-Nr. Tx 000055 a-e
Die Ende 2022 mit Unterstützung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Harzsparkasse sowie des Landes Sachsen-Anhalt für Schloß Wernigerode erworbene Mode- und Textilsammlung von Ralf Schmitt (1963-2021) aus Trier umfasst auch eine Vielzahl an Accessoires und Bestandteilen von Kleidungsstücken, deren Funktion und Bedeutung sich nicht immer auf den ersten Blick erschließt. Dazu gehören fünf identische Hemdkragen aus weißem Zelluloid, die vermutlich um 1900 von der „Rheinischen Gummi- und Celluloidfabrik“ in Mannheim hergestellt wurden.
Dies mag zunächst befremden, würde man dieses Material doch nicht mit einem Bekleidungsstück in Verbindung bringen. Tatsächlich waren bei Herrenhemden bis in das 20. Jahrhundert hinein Kragen und Manschetten, mitunter auch die Hemdbrust lose Einzelteile, die aufgrund des höheren Verschleißes und der damals noch aufwendigen Waschvorgänge einzeln ausgewechselt wurden, ohne das gesamte Hemd jedes Mal reinigen zu müssen. Sie bestanden meist aus gestärkter Baumwolle oder Leinen und wurden eingeknöpft bzw. angeheftet.
Das in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien entwickelte Zelluloid, auch Zellhorn oder Celluloid genannt, ist ein Kunststoff, der als erster „Thermoplast“ gilt, d.h. er lässt sich bei Erhitzen leicht verformen. Das 1870 als Handelsmarke registrierte Material wurde u.a. für die Herstellung von Billardkugeln und ab den 1880er Jahren auch als Träger für fotografische Filme verwendet. Ein weiteres Produkt waren Puppenkörper, aus denen später auch die berühmten, von Käthe Kruse (1883-1968) entworfenen „Schildkröt-Puppen“ hervorgingen, die aber ab 1954 aus Tortulon, einem schwerer entflammbaren Kunststoff gefertigt wurden.
Die Herstellung von Hemdkragen blieb eher ein Nischenprodukt und war wohl primär der Experimentierfreudigkeit der Zeit geschuldet. In England warb man bereits im späten 19. Jahrhundert für „wasserfeste“ Kragen und Manschetten. Was wie ein skurriler „Gag“ anmutet, war damals jedoch ein Novum, wenngleich die Vorstellung dieses eher starren Materials um Hals und Handgelenke aus heutiger Sicht reichlich unbequem erscheint.
Autor: Ulrich Feldhahn; Link zu museum-digital.de: https://st.museum-digital.de/object/111142
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