Gedruckte Höflichkeiten

Hofordnung Christian Ernsts Graf zu Stolberg-Wernigerode mit beiliegendem Siegelabschnitt und Unterschrift Ludwig Christians Graf zu Stolberg, 1735 bzw. 1709

Buchdruck mit Bleilettern und deutsche Handschrift mit Wachssiegel und autographer Unterschrift

20 x 16 bzw. 10,9 x 19,3 cm

© Schloß Wernigerode, Inv.-Nr. Schg 003424 a + b

Vor 250 Jahren, am 25. Oktober 1771, verstarb Graf Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode. Der 1691 im hessischen Gedern geborene Erbfolger erhielt nach dem Tod seines Vaters Ludwig Christian sowie seines Onkels Ernst im Jahre 1710 die Grafschaft Wernigerode. Diese sollte er – ab 1714 unter der Oberhoheit Preußens – bis zu seinem Tod regieren. Besonders mit dem preußischen König Friedrich Wilhelm I., dem sogenannten „Soldatenkönig“, unterhielt er geradezu freundschaftliche Beziehungen und erwies sich allgemein als ein gebildeter und umsichtiger Regent. Zu seinen persönlichen Interessen gehörte der Ausbau der im 16. Jahrhundert begründeten Bibliothek, die mit den Schwerpunkten Theologie und Kirchengeschichte zu einer der umfangreichsten ihrer Art anwachsen sollte und bereits ab 1746 der Öffentlichkeit zugänglich war. Zugleich entfaltete sich unter Christian Ernst eine rege Bautätigkeit in Wernigerode, die sich unter anderem in der barocken Umgestaltung des Schlosses sowie der Anlage des Lustgartens mit Orangerie äußerte.

Auf Schloß Wernigerode erließ er am 8. Oktober 1735 auch eine von ihm selbst verfasste „Hof-Ordnung“, die in gedruckter Form zusammen mit einem über zwei Jahrzehnte zuvor von seinem Vater verfassten Schreiben 2019 für die Sammlungen von Schloß Wernigerode erworben werden konnte. Im Zeitalter des Spätabsolutismus, in das auch die Lebenszeit des Grafen fiel, spielten Aufbau und Struktur eines Hofes, dessen Beamte und Bedienstete, ihre Titel, Befugnisse und Aufgaben sowie entsprechende Anordnungen zu ihrem Verhalten eine zentrale Rolle. Dazu gehörte hier beispielsweise der persönliche Besitz einer Bibel, um „darinnen fleißig [zu] lesen“, der regelmäßige Besuch von Gottesdiensten oder die Anwesenheitspflicht der Pagen, Kammer- und Jagdlakaien beim jeweiligen Umziehen des Grafen. Somit stellt dieses zwölfseitige gedruckte Dokument eine wichtige Quelle zur Erforschung des höfischen Lebens in Wernigerode im 18. Jahrhundert dar. In einer Kabinettausstellung im Königsflur zur Person Christian Ernsts und seiner Zeit ist sie im 2. Schloßrundgang ab Oktober 2021 bis Anfang 2022 im Original zu sehen.

Näheres zu diesem Objekt und anderen digitalisierten Sammlungsbeständen erfahren Sie hier: https://nat.museum-digital.de/index.php?t=listen&tag_id=102631

Autor: Ulrich Feldhahn