Virenbekämpfung im Kaiserreich

Impf-Schein für Hans Hermann Christian von Hoff (1878-1958) vom 1. Oktober 1879

Vordruck auf rosa Papier, handschriftlich mit schwarzer Tinte beschrieben

16 x 21 cm

© Schloß Wernigerode, Inv.-Nr. Schg001521

Dass ein einstmals millionenfach ausgestelltes Dokument knapp 150 Jahre später plötzlich wieder an ungeahnter Aktualität gewinnt, ist ein bemerkenswerter Vorgang, der unterstreicht, wie bedeutend die Aufbewahrung auch von vermeintlich alltäglichen Objekten mitunter für nachfolgende Generationen sein kann.

Innerhalb der Gattung „Schriftgut“ der Sammlungen von Schloß Wernigerode hat sich ein Impf-Schein aus dem Jahr 1879 erhalten, der für ein damals etwa eineinhalb Jahre altes Mitglied der Familie von Hoff ausgestellt wurde. Angehörige dieser und der verwandten Familie Brandes, deren schriftlicher Nachlass zu Beginn des 21. Jahrhunderts erworben werden konnte, waren mehrfach in Diensten des Stolberger Grafenhauses gewesen, allen voran Hermann von Hoff (1828-1901), der als früherer Bürgermeister von Wernigerode ab 1876 unter Graf (seit 1890 Fürst) Otto zu Stolberg-Wernigerode (1837-1896) zum Kammerdirektor und später Kammerpräsidenten avancierte und in dieser Position eine wichtige Vertrauensstellung einnahm.

Dem kleinen Hans Hermann Christian von Hoff wurde indessen am 1. Oktober 1879 eine Schutzpockenimpfung verabreicht, wie sie seit Inkrafttreten des am 8. April 1874 erlassenen „Reichsimpfgesetzes“ allgemein für Kinder im Alter von einem sowie zwölf Jahren verordnet wurde. Die Pocken, früher auch als Blattern bezeichnet, waren eine lebensbedrohliche Virusinfektion, die selbst bei den Überlebenden durch die namensgebenden Pocken, d.h. entzündete Hautbläschen, entstellende Narben hinterließen. Schon früh begann man sich mit der Bekämpfung dieser Krankheit zu befassen, so dass bereits im 16. Jahrhundert erfolgreich mit Impfstoffen experimentiert wurde. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erwies sich vor allem die Injektion mit dem „Vacciniavirus“ als zielführend, von dem sich der bis heute gebräuchliche Begriff der „Vakzination“ ableitet.

Das bayerische Königreich führte 1807 als erstes Land weltweit eine Impfpflicht ein, weitere Länder folgten wenig später nach. Nach der Reichsgründung wurde eine solche für das gesamte Kaiserreich erlassen und umfasste so modern anmutende Aspekte wie die Gewährleistung, dass keine Impfstelle innerhalb eines Bezirks weiter als fünf Kilometer von der nächsten entfernt sein durfte. Im Falle einer Weigerung drohten den Eltern Geld- oder Haftstrafen. Die Maßnahmen zeigten Erfolg, die Pockenkrankheit wurde im Lauf des 20. Jahrhunderts besiegt, seit 1978 sind weltweit keine Fälle mehr bekannt geworden.

Näheres zu diesem Objekt und anderen digitalisierten Sammlungsbeständen erfahren Sie hier: https://st.museum-digital.de/object/47183

Autor: Ulrich Feldhahn