"Ich hoffe wir gehen vor."

Carl Christian Andreae: Brief an eine unbekannte Dame vom 4. Dezember 1876

Deutsche Handschrift in schwarzer Feder auf Papier, 21, 7 x 14 cm

© Schloß Wernigerode, Inv.-Nr. Schg 003994

Zu den vielfältigen Sammlungen von Schloß Wernigerode gehört auch die Gattung „Schriftgut“, die mehrere tausend Schriftstücke umfasst. Darunter befinden sich ganze Nachlässe, aber auch viele Einzeldokumente, die vorwiegend im Zusammenhang zur Geschichte des Schlosses und der Familie Stolberg-Wernigerode stehen. Da es sich vielfach um kleinformatige, mitunter nur schwer lesbare und zudem konservatorisch empfindliche Objekte handelt, sind sie für eine dauerhafte Präsentation wenig geeignet, können aber im Kontext temporärer Ausstellung immer wieder als aussagekräftige Exponate eingesetzt werden.

So sind auch in der bis zum 15. November 2023 geöffneten Kabinettausstellung zum 200. Geburtstag des Künstlers Carl Christian Andreae (1823-1904), auf den u.a. die Entwürfe für die Fenster der Wernigeröder Schloßkirche zurückgehen, persönliche Schriftstücke von ihm zu sehen. Dazu gehört ein am 4. Dezember 1876 an eine unbekannte Adressatin verfasster Brief, der erst zu Beginn des Jahres 2023 antiquarisch in Wien erworben werden konnte. Der aus Mülheim/Rhein stammende Andreae lebte nach seiner in Düsseldorf erfolgten Ausbildung und Stationen in Rom und Berlin ab 1857 in Dresden, wo sehr wahrscheinlich auch dieser Brief entstand.

Andreae spricht darin an die „Verehrte Freundin“ eine Einladung aus und nennt bereits im ersten Satz deren Anlass: „Botho Stolbergs kommen heute“. Gemeint sind damit Graf Botho zu Stolberg-Wernigerode (1805-1881) und dessen Frau Adelheid (1822-1881), eine geborene Gräfin zu Erbach-Fürstenau. In launiger Weise spricht er die Hoffnung aus, dass die Empfängerin trotz ihrer offenbar geäußerten Absicht, sich das Schauspiel „Deutsche Treue“ von Max Waldstein (1834-1919) im Theater anzusehen, seine und die Gesellschaft des gräflichen Ehepaares vorziehen möge. Der Brief verdeutlicht somit die enge Beziehung Andreaes zur Familie Stolberg-Wernigerode und in diesem Fall zum Onkel und zeitweiligen Vormund des späteren Fürsten Otto zu Stolberg-Wernigerode (1837-1896), der in jener Zeit im Zuge der tiefgreifenden Umgestaltung von Schloß Wernigerode auch dessen Kirche neu errichten ließ.

Autor: Ulrich Feldhahn; Link zu museum-digital.de: https://st.museum-digital.de/object/110072